Toi, toi,
toll
Alfred Edel ist Dr. hc. Kohlhammer. In meinem 1987
gedrehten Spielfilm "Zum Beispiel Otto Spalt" ist er
Vorsitzender des Ausschusses zur Normierung des deutschen
Filmwesens und entscheidet als oberstes Jurymitglied der
189. Sitzung des Filmprojektprüfungshauptausschusses
über das Schicksal der dort eingereichten Filmvorhaben.
Otto Spalt (Otto Sander) stellt dem Gremium sein
Filmprojekt vor und hat größte Mühe, sich gegen den
geballten Sachverstand der fünfköpfigen Jury zu behaupten.
Nach einer 90minütigen Achterbahnfahrt zwischen leiser
Hoffnung und totaler Resignation erhält Otto wider Erwarten
schließlich doch den Zuschlag.
In der vorletzten Szene des Films verkündet Dr. Kohlhammer
den Beschluß in aller Förmlichkeit. Dann wechselt sein
Tonfall ins Persönliche, und er gratuliert dem
fassungslosen und überglücklichen Otto Spalt zu seinem
Erfolg.
Laut Drehbuch endet sein Text so:
"... also, Herr Spalt, auf Wiedersehen und toi, toi, toi!
Herr Schramm, bringen Sie bitte Herrn Spalt zum Ausgang."
Alfred war sehr textsicher, solange drei Voraussetzungen
erfüllt waren: man mußte ihm einen gewissen
Interpretationsspielraum zugestehen, der Dialogtext mußte
mit der ihm eigenen Ausdrucksweise vereinbar sein – und er
mußte den Inhalt seines Textes wirklich verstanden haben.
Während ihm Satzungetüme wie "Herr Spalt erhält den
beantragten Kredit unter Einbehaltung der
Bearbeitungsgebühr entsprechen Gebührenordnung 115G römisch
Drei arabisch 12 Strich 56, rückzahlbar in vier Monatsraten
vor Drehbeginn" spielend über die Lippen gingen,
hatten wir bei dem jetzt anstehenden Take ein unerwartetes
Problem.
"... also, Herr Spalt, auf Wiedersehen und toi, toi,
toll! Herr Schramm, bringen Sie..."
Toi, toi, toll?
Ich mache Alfred auf seinen Versprecher aufmerksam, und wir
wiederholen den Take.
... und wieder: toi, toi, toll.
Ja, Alfred, das war schon sehr gut. Wir machen's aber noch
einmal, und jetzt bitte: toi, toi, toi. Also, Ton ab...
Kamera ab... 146-2 die Dritte...
... auf Wiedersehen und toi, toll, toll...
Stop! Alfred, wir proben jetzt mal nur das Toi-toi-toi. Sag
mal: toi, toi, toi.
Toi, toi, toi.
Wunderbar, genau so!
Aber das sag ich doch immer!
(Kichern eines Beleuchters aus dem Hintergrund)
Nein, Alfred, Du hast toi, toi, toll gesagt. Oder toi,
toll, toll.
Aber macht nichts, jetzt wird's ja perfekt.
Neue Klappe, neues Glück...
... toi, toi, toll.
Hmm... Ja, prima. Gestorben!
Tonmann: Aber er hat schon wieder...
Nein, ist schon in Ordnung. Also, wir bauen jetzt um für
die Gegenrichtung auf Otto. (Das werden wir am
Schneidetisch zurechtbasteln, denke ich mir. Wir haben ja
genügend Tois.)
Du, René, sag, war's gut jetzt?
Ja... doch.
Was meinst Du eigentlich damit? Toi-toi-toll?
(Ich muß lachen)
Das müßte ich doch eigentlich Dich fragen.
Wieso?
Weil Du das immer so sagst. Im Drehbuch steht was anderes.
Alfred blättert.
(Grummel, grummel...) ja. hier... da, schau her, hier
steht: toi, toi, toi.
Eben!
Ja, und was meinst Du damit?
Mir dämmerte es. Er kannte diese Redewendung nicht. Die war
wohl eher im norddeutschen Sprachraum gängig. Und, so sehr
Alfred auch Kosmopolit war, Norddeutschland war ihm doch
etwas zu exotisch.
Ich erklärte ihm, was toi-toi-toi bedeutet, auch daß damit
der Brauch verbunden ist, auf Holz zu klopfen oder über die
Schulter zu spucken. Er fand das sehr interessant.
Nach einer Weile:
Du, René, Du warst noch nicht ganz zufrieden mit der
Einstellung eben. Stimmt's? Ich merk' so was. Komm, wir
machen's noch mal.
Ich zögere. Jetzt wieder alles zurück auf Anfang? Wir sind
schon in Verzug.
Na gut, ich stoppe den Umbau, der
vorhergehende Take wird nochmals eingerichtet.
"... also, Herr Spalt, auf Wiedersehen und toil, toil,
toil! Herr Schramm, bringen Sie..."
Ein fairer Kompromiß.
Und so ist es jetzt im Film.